Stressinterview: Wie Sie dem Druck standhalten

Das Bewerbungsgespräch ist hart, das Stressinterview ist härter. Wenn Sie Ihr Gesprächspartner mit derben Fragen provoziert oder Ihre Kompetenzen offen anzweifelt, dann steigt der Blutdruck. Jetzt gilt es, Ruhe zu bewahren! Denn man will von Ihnen vor allem wissen, wie Sie unter Druck reagieren. Was Sie dann auf gar keinen Fall tun sollten…

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Stressinterview: Was ist das?

Stressinterview – das klingt nicht nur anstrengend, das ist es auch. Allerdings muss man konstatieren, dass Stressinterviews keineswegs die Regel sind. Sie sind die Ausnahme. Die meisten Unternehmen verzichten auf diese Form des Stresstests. Dafür gibt es gute Gründe:

Bewerber stehen auch in einem „normalen“ Vorstellungsgespräch schon unter Druck und sind extrem angespannt und gestresst. Oder der Personaler geht davon aus, dass er durch Stressfragen keine neuen, vielsagenden Erkenntnisse gewinnen wird. Ein Jobinterview ist auch ohne Stressfragen aufschlussreich genug.

Andererseits gibt es Personalentscheider, die dieses Instrument sehr gerne aus ihrem Zauberkasten holen. Sie tun das nicht, um ihre sadistischen Gelüste zu befriedigen, um den Bewerber zu erniedrigen, zu schikanieren oder zu blamieren (ok, manche vielleicht schon). Sie setzen Stressinterviews ein, um dem Bewerber richtig auf den Zahn zu fühlen. Um live und in Farbe zu sehen, wie er in hyper-stressigen Situationen reagiert. Das ist in einem Assessment Center ähnlich. In vielen Berufen ist Stressresistenz eine wichtige Eigenschaft, ohne die man kaum reüssieren kann.

Außerdem gehen viele Bewerber heutzutage sehr gut vorbereitet in ein Bewerbungsgespräch. Sie wissen, was auf sie zukommt, antizipieren Fragen und legen sich elegante Antworten zurecht. Sie ziehen sich angemessen an und achten auf einen kräftigen Händedruck. Das verringert den Wert von Vorstellungsgesprächen im Allgemeinen. Im Stressinterview kann man diese Routinen durchbrechen. Man kommt der Wahrheit gewissermaßen ein Stückchen näher, zerrt den wahren Charakter ans Tageslicht und schafft Authentizität.

Sicherheitshalber der Hinweis: Für Bewerber ist und bleibt es selbstverständlich essenziell, sich gut auf ein Jobinterview vorzubereiten. Das erhöht die Einstellungschancen – und ganz nebenbei auch das Selbstvertrauen. Wenn man sich aber in die Lage eines Personalers versetzt, ist all das unbefriedigend, all die glatten Lebensläufe und korrekt sitzenden Krawatten. All die fein formulierten Fragen und auswendig gelernten Fakten.

Vor allem wollen Arbeitgeber doch wissen, ob ein Bewerber zu ihnen ins Team passt oder nicht. Aber wie können sie das herausfinden? Zum Beispiel, indem sie ihn oder sie in Situationen beobachtet, in denen nicht alles nach Plan läuft. In einer Situation, in der die Top-Vorbereitung plötzlich nichts mehr wert ist und die Stresshormone nur so aus einem herausschießen. Dann lüftet sich der Vorhang – wenigstens kurzzeitig. Schließlich wird es diese Situationen auch im Arbeitsalltag geben. Situationen, in denen man die Ruhe bewahren und cool bleiben muss. Wer jetzt Panik bekommt und keinen klaren Gedanken fasst, dürfte im Ernstfall auch im Betrieb ein Risikofaktor sein. In manchen Berufen verschreckt so ein Verhalten Kunden, in anderen zerstört es die Arbeitsatmosphäre, in wieder anderen kann es sogar gefährlich für Leib und Leben werden.

Darum fragen Personaler im Vorstellungsgespräch auch gerne nach Konflikten im bisherigen Arbeitsleben, nach Kündigungen, Verweildauern und Widersprüchen. Hier setzt das Stressinterview an. Der Personaler versucht, den Bewerber auf dem falschen Fuß zu erwischen, indem er ihm eine provokative oder missverständliche Frage stellt. Wie reagiert dieser darauf? Seine Reaktion lässt womöglich tiefere Rückschlüsse auf seinen Charakter zu.

Damit ist das Stressinterview gleichzeitig eine erste Arbeitsprobe. Für Arbeitgeber kann es sehr erhellend sein. Aber auch für Sie als Bewerber ist es nicht nutzlos. Erstens können Sie sich durch eine souveräne Reaktion empfehlen und Pluspunkte sammeln. Und zweitens auch Selbstvertrauen tanken, weil Sie gemerkt haben, dass Sie derlei Prüfungen gewachsen sind – und damit auch dem Job.
vgwort

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Stressinterview: So ist es aufgebaut

Ein Vorstellungsgespräch durchläuft in der Regel fünf Phasen:

Die Reihenfolge kann variieren. Das Stressinterview ist anders aufgebaut. Nach der lockeren Aufwärmphase ändert der Personaler abrupt sein Verhalten und wird aggressiver. Er stellt harte Fragen, provoziert den Bewerber, bohrt nach, unterstellt ihm etwas, macht unterschwellige Anmerkungen, greift ihn verbal an. Bisweilen artet das Ganze sogar in ein Kreuzverhör aus – schwitzende Hände und Gesichter inklusive.

Klar ist: Übertreibt es Ihr Gesprächspartner, dann müssen Sie sich das keineswegs gefallen lassen. Es geht ihn zum Beispiel nichts an, mit wem sie sich daten oder ob sie planen, in naher Zukunft schwanger zu werden (diese Frage wäre ohnehin illegal).

Aber so weit muss ein Personaler gar nicht gehen, um einen Bewerber aus dem Konzept zu bringen. Es reicht schon, wenn er ihm klar macht, dass er an seiner Eignung stark zweifelt. Das geht zum Beispiel mit diesem Ansatz: „Sie haben so gut wie keine relevanten Erfahrungen und sind für den Job augenscheinlich völlig ungeeignet. Sehen sie das nicht selbst auch so?“ Dadurch werden die meisten Kandidaten enorm verunsichert. Wichtig ist jetzt, wie sie mit ihrer Verunsicherung umgehen.

Auch Fangfragen, Analogie-Fragen, die mit der Stelle scheinbar gar nichts zu tun haben, und Brainteaser, an denen die Kandidaten zu knabbern haben, generieren Unbehagen. Personaler, die in dieser Kunstform geübt sind, bauen gerne noch eine Prise Sarkasmus und Ironie ein und setzen den Bewerber unter maximalen Rechtfertigungsdruck. Wenn das Stressinterview aufhört und der reine Psychoterror beginnt, müssen Sie als Bewerber die Reißleine ziehen. Stressfragen sind legitim, pure Schikane ist es nicht.

Stressinterview: Beispiele für Stressfragen

Hier ist eine Auswahl an Stressfragen, von denen einige – in dieser oder ähnlicher Form – auf Sie als Bewerber zukommen könnten:

Fangfragen

  • Wie würden Sie sich selbst in nur einem Wort beschreiben?
  • Aus welchen Gründen würde jemand nicht gerne mit Ihnen zusammenarbeiten wollen?
  • Wann haben Sie das letzte Mal Regeln gebrochen und warum?
  • Was glauben Sie, was ist ein Unternehmen seinen Mitarbeitern schuldig?
  • Was konnten Sie an Ihrem letzten Job am wenigsten leiden?

Analogie-Fragen

  • Wenn Sie im Lotto gewinnen, was würden Sie tun?
  • Wenn Sie ein Superheld sein könnten, welcher wären Sie?
  • Was unternehmen Sie, wenn Sie Spaß haben wollen?
  • Welche Frage soll ich Ihnen lieber nicht stellen?
  • Wie finden Sie mich so als Interviewer?

Brainteaser

  • Wie viel wiegt New York?
  • Wie kann man herausfinden, ob das Licht im Kühlschrank brennt, wenn die Tür zu ist?
  • Weswegen ist ein Kanaldeckel rund und nicht eckig?
  • Wie viele Blätter Papier werden in Österreich an einem Tag kopiert?
  • Wozu ist der Filz auf dem Tennisball gut?

Provokationen

  • Sie waren ja ein richtiger Langzeitstudent, was?
  • Stimmt irgendwas nicht mit Ihnen oder warum suchen Sie schon so lange eine neue Stelle?
  • Ich glaube kaum, dass Sie bei uns ins Unternehmen passen.
  • So richtige Stärken gehen aus Ihrer Bewerbung ja keine hervor, oder habe ich da etwas übersehen?
  • Ihr Lebenslauf war ja bisher 08/15. Erzählen Sie mir doch mal was Spannendes über sich!

Egal, wie Sie der Personaler locken will – an ein paar Spielregeln sollten Sie sich stets halten. Fallen Sie ihm nicht ins Wort und bleiben Sie ruhig. Zeigen Sie Ihre Nervosität nicht, indem sie mit den Füßen tippen oder hektisch mit den Fingern an Ihrer Kleidung herumnesteln. Was aber ganz wichtig ist: Rechtfertigen Sie sich nicht und gehen Sie nicht in den Gegenangriff über. Das würde Sie sofort disqualifizieren.

Stressinterview: So parieren Sie gekonnt

Grundsätzlich haben Sie jederzeit die Möglichkeit, ein Vorstellungsgespräch zu beenden. Wenn Ihnen die Fragen zu unverschämt oder indiskret werden, beschweren Sie sich einfach darüber. Führt das nicht zum gewünschten Ergebnis, können Sie vorzeitig gehen – aber bitte höflich. Sie wollen ja nicht Ihren Peiniger spiegeln…

Am besten aber, sie bleiben bei einer fiesen Stressfrage ganz cool. Sie könnten Ihrem Gegenüber mit eiskalter Miene ein paar Sekunden lang tief in die Augen schauen – und erst dann zu einer Parade ausholen. Zeigen sie, dass Sie der Situation gewachsen sind, indem Sie die Einwände entkräften oder den Argumenten Wind aus den Segeln nehmen. Oder Sie zeigen, dass Sie mit der Art Frage nicht einverstanden sind. Was Sie beispielsweise sagen könnten:

  • Sie sind offenbar falsch informiert.
  • Das ist Ihre Meinung und auf die haben Sie ein gutes Recht. Aber Fakt ist, dass…
  • Was hat das genau mit dem Job zu tun, wenn ich fragen darf?
  • Dazu möchte ich Ihnen nichts sagen und bitte um Ihr Verständnis.

6 Tipps fürs Stressinterview

Die COOL-Formel hilft, im Stressinterview Ruhe zu bewahren. Sie funktioniert so:

  • Contenance bewahren
  • Offenheit signalisieren
  • Objektivität herstellen
  • Labern vermeiden

Darüber hinaus helfen Ihnen diese Tipps, um das Stressinterview zu meistern:

  1. Ruhig bleiben

    Keep cool! Das sagt sich so leicht, ist manchmal aber eine echte Herausforderung. In einem Vorstellungsgespräch ist das Stresslevel ohnehin schon erhöht. Stressfragen verunsichern da noch mehr. Das kann dazu führen, dass man als Bewerber hektisch wird und verzweifelt nach den richtigen Worten sucht. Ganz wichtig: Nicht sofort antworten, sondern kurz innehalten, lächeln und den Druck vom Kessel nehmen. Das gelingt durch eine Antwort wie: „Das machen Sie extra, oder? OK, ich versuche noch mal, Ihnen meine Sicht der Dinge näher zu bringen…“ Danach führen Sie Ihre Antwort aus – ganz ruhig, ganz sachlich. Je schneller Sie antworten, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie etwas Unbedachtes oder gänzlich Unpassendes sagen. Nehmen Sie sich unbedingt Zeit und werfen Sie eine behelfsmäßige Formulierung ein, um die Pause zu überbrücken. Was auch geht: „Oh, diese Frage habe ich tatsächlich noch nicht so oft gehört“ oder „Das ist mal eine originelle Frage.“ Damit verschaffen Sie sich ein wenig Zeit.

  2. Meinung sagen

    Ein Stressinterview setzt den Bewerber unter Stress. Das ist Sinn der Sache. Aber es bedeutet nicht, dass Sie nur das kleine Mäuschen spielen sollen, das ständig vom großen Kater attackiert wird. Sie müssen auch keineswegs immer Ja und Amen sagen und jeder These des Personalers zustimmen (obwohl Schleimen im Vorstellungsgespräch erwiesenermaßen hilft!). Lassen Sie sich nicht ausschließlich in die Defensive drängen. Sagen Sie Ihre Meinung, vertreten Sie Ihre Standpunkt und führen Sie Ihre Thesen aus – egal, was der andere Ihnen mit seinen Stressfragen andichten will. „Ich sehe Ihren Punkt, bin aber der Meinung, dass…“ oder „Interessanter Standpunkt. Ich stehe aber auf Folgendem…“

  3. Anstand wahren

    Einen Heißsporn provoziert man nicht ungestraft! Ja, das ist menschlich und auch durchaus verständlich. Aber lassen Sie sich lieber nicht aus der Reserve locken. Werden Sie nicht pampig und erwidern mit einer ebenso unverschämten Retourkutsche! Das zeigt nur, dass Sie dem Druck eben nicht gewachsen sind. Und das erwartet ihr künftiger Arbeitgeber ja schließlich von Ihnen: Dass Sie dem oberdreisten Kunden nicht sofort verbal in die Parade fahren. Na klar: Sie müssen sich nicht alles gefallen lassen. Erst recht keine schlüpfrigen Kommentare oder persönliche Beleidigungen. Aber die sind zum Glück so selten wie Arbeitslosigkeit in Baden-Württemberg. Wenn Ihnen das Stressinterview trotzdem zu viel des Guten ist, dann können Sie hinterher immer noch entscheiden, dass Sie für diese Firma lieber nicht arbeiten wollen – und höflich absagen.

  4. Kurz halten

    Stressfragen sind manchmal gemein, manchmal tricky. Auf jeden Fall sind viele nicht so einfach zu beantworten. Das verleitet viele Bewerber dazu, weit auszuholen. Immerhin verschafft man sich so Luft und kann beim Reden denken. Fehler! Lange Ausführungen könnte Ihr Gegenüber zu Gegenfragen nutzen. Kurze und prägnante Antworten sind besser – und wirken selbstbewusster. Ihre Antwort sollten Sie natürlich kurz begründen und erklären, vielleicht anhand eines guten Beispiels. Aber egal, wie Sie auf eine Stressfrage antworten – tragen Sie sie selbstbewusst vor.

  5. Nichts sagen

    Schweigen ist eine unterschätzte Waffe im Vorstellungsgespräch – erst recht im Stressinterview. Erst bombardiert Sie der Personaler mit fiesen Fragen, dann herrscht auf einmal Funkstille. Das verunsichert die meisten Bewerber – und führt zu noch mehr Stress und Selbstzweifeln. In dem Falle spielen Sie das Spiel am besten mit. Erwidern Sie das Schweigen Ihrerseits ebenfalls mit Schweigen. Sie nehmen eine selbstbewusste Haltung ein, halten Blickkontakt und warten ab, bis der Ihr Gesprächspartner wieder das Wort ergreift. Nicht einfach drauflosplappern! Und lassen Sie dabei nicht die Blicke schweifen, bleiben Sie konzentriert. Schweigen erzeugt Druck, und diesem Druck sollen und wollen Sie standhalten. Aber: Sie dürfen natürlich auch selbst etwas sagen, wenn Ihnen etwas Schlagfertiges und Passendes einfällt…

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